Licht in die Dunkelflaute bringen

Im November und Dezember erlebten Mittel- und Nordeuropa ein Wetterphänomen, das erhebliche Auswirkungen auf die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat: die Dunkelflaute. Damit begannen Kritiker der Energiewende, die Versorgungssicherheit für Industrienationen wie Deutschland in Frage zu stellen. Es ist daher höchste Zeit, etwas Licht und Fakten auf dieses Phänomen zu werfen, das so bedeutend ist, dass der Begriff sogar in die englische Sprache übernommen wurde.
Was genau ist eine „Dunkelflaute“?
Leider gibt es keine allgemein akzeptierte Definition für den genauen Umfang dieser Situation, was es sowohl in der Fachwelt als auch in der öffentlichen Debatte schwierig macht, sie genau zu bestimmen. Dunkelflaute beschreibt einen Zeitraum, in dem PV- und Windkraftanlagen aufgrund ausschließlich wetterbedingter Einflüsse keinen Strom erzeugen. Forscher (z. B. Li et al., 2016; Kasper et al., 2019) und Energieexperten nutzen unterschiedliche Ansätze zur Abgrenzung. Ein gängiges Maß ist der Kapazitätsfaktor (CF), der die tatsächliche Stromproduktion ins Verhältnis zur maximal möglichen Leistung setzt. Ein Beispiel: Eine 3-MW-Windkraftanlage kann theoretisch 3 MWh pro Stunde, 72 MWh pro Tag und 61.320 MWh pro Jahr erzeugen. Das Gleiche würde für einen Solarpark gelten. Der jährliche Kapazitätsfaktor in Deutschland lag 2019 im Durchschnitt bei 33 % für Offshore-Windenergie, fast 20 % für Onshore-Windenergie und etwa 13 % für PV (vgl. renewables.ninja).

Wichtig ist der Unterschied zwischen jährlichem und stündlichem CF. Würde man z. B. den nächtlichen Nullwert der Solarenergie in den Durchschnitt einbeziehen, entstünde ein falsches Bild. Ob es tagsüber 14 Stunden Sonne oder 14 Stunden Bewölkung gibt, macht schließlich einen klaren Unterschied. Li et al. definieren Dunkelflauten deshalb über einen Schwellenwert: Unter 20 % des stündlichen Kapazitätsfaktors spricht man von einem Dunkelflaute-Ereignis (vgl. S. 5). Konkret heißt das: Wenn Sonne und Wind mitten am Tag weniger als 20 % ihrer Leistung erbringen, liegt eine Dunkelflaute vor.
Wie oft tritt die Dunkelflaute auf?
Li et al. analysierten 2016 den stündlichen Kapazitätsfaktor (CF) für mehrere Länder rund um die Nord- und Ostsee. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Dunkelflaute im Winter höher, mit Spitzenwerten im November und Januar. Hier gibt es durchschnittlich 50 bis 100 Stunden Dunkelflaute pro Monat, in Schweden sogar bis zu 150 Stunden. In Bezug auf das Auftreten kommen sie zu dem Schluss, dass „jedes Jahr längere Dunkelflauten von mindestens einem Tag Dauer auftreten. So gab es beispielsweise in drei der untersuchten Länder, Deutschland, Norwegen und Großbritannien, etwa 2–10 Ereignisse (mit einer Dauer von mehr als einem Tag) pro Jahr, und ähnliche Häufigkeiten wurden auch in den anderen acht Ländern festgestellt“ (S. 12). Einige wenige Fälle in der Analyse waren länger und dauerten drei oder sogar fünf Tage.

Energieversorgung und Preise während der Dunkelflaute
In Zeiten mit hohem Angebot an erneuerbaren Energien weisen die Strommärkte niedrige Preise auf, da das Angebot hoch ist und PV und Wind die günstigsten Formen der Stromerzeugung sind. Wenn die Strommenge aus diesen Quellen gering ist, übernehmen fossile Kraftwerke eine größere Rolle oder Kernkraftwerke erhöhen ihre Leistung. Allein aufgrund der Art der Erzeugung steigen die Preise natürlich.
Darüber hinaus wird ein Großteil des Stroms einen Tag im Voraus oder während des Tages gehandelt. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um einen freien Markt in Mittel- und Nordeuropa, auf dem auch mehr Strom gekauft als benötigt wird und zu bestimmten Zeiten weiterverkauft wird. Der Wert von Strom wird daher nicht nur physisch bestimmt, sondern auch auf einem Markt, der mit einer normalen Börse vergleichbar ist. Grenzen setzt dabei die Verbindungskapazität zwischen den Ländern. Sie reicht nicht aus, um im Fall einer Dunkelflaute den kompletten Bedarf eines Nachbarlandes zu decken. Zweitens beschränkt das gesamte nationale Stromangebot die Preisspielräume.

Im Fall der Dunkelflaute am 12. Dezember 2024, als die Preise auf dem Day-Ahead-Markt in die Höhe schossen, passierte jedoch etwas Seltsames in Deutschland. Es gab eine Reserve von 10 GW an Kohlekraftwerken, die hätten zugeschaltet werden können. Einerseits widerlegt dies den Mythos, dass Deutschland sich in Zeiten der Dunkelflaute nicht selbst versorgen könne. Andererseits wirft es die Frage auf, ob die Preise mit diesem Angebot niedriger wären und warum es nicht abgerufen wurde. Dies wird nun vom Bundeskartellamt untersucht, um Klarheit zu schaffen. (vgl. br.de)
Auch wenn keine Gefahr für die Energieversorgung besteht, könnte der Einfluss der Dunkelflaute in Zukunft zunehmen, und die Preise bereiten bereits jetzt der Industrie Sorgen, die in solchen Situationen die Produktion einstellen muss. Es gibt jedoch Lösungen, die umgesetzt werden müssen.
Lösungen für die Dunkelflaute #1: Netzkopplungen
Insbesondere da die Erzeugung erneuerbarer Energien in einem Netz so dezentral ist, gibt es in Europa, sogar im gesamten Zentrum des Kontinents, nie eine vollständige Nullerzeugung erneuerbarer Energien. Während es in Norwegen eine Dunkelflaute geben könnte, könnte es in Belgien einen sonnigen und windigen Tag geben. Li et al. stellten fest, dass die Korrelation von Dunkelflaute-Ereignissen in Nachbarländern nur mäßig ist (Koeffizienten von 0,3–0,4) (vgl. S. 12). Und der CF von Solar- und Windstrom fällt seltener unter den Dunkelflaute-Schwellenwert: „Die mittlere Häufigkeit von Dunkelflaute (markiert als schwarze horizontale Linie) sinkt von 3–9 % für die einzelnen Länder auf etwa 3,5 %, wenn sie miteinander verbunden sind.“ (Li et al., 2016, S. 9)
Somit sind miteinander verbundene Stromnetze ein hervorragendes Mittel, um die Abhängigkeit von wetterabhängiger Stromerzeugung zu verringern. Die EU hat sich für 2030 das Ziel gesetzt, dass die Länder 15 % ihrer Stromerzeugungskapazitäten mit ihren Nachbarn vernetzen. Bessere Netzverbindungen vom Norden Europas in den Süden hätten vielen Regionen und Ländern am 12. Dezember geholfen.
Lösungen für die Dunkelflaute #2: Batterien und Pumpspeicherwerke
Batterien sind ein hervorragendes Werkzeug, um Energie aus Zeiten mit höherem CF in Zeiten mit niedrigerem CF zu verlagern, die Netzstabilität aufrechtzuerhalten und Preisspitzen auszugleichen. Mit mehr Batteriekapazität werden die Preisspitzen in Dunkelflauten geringer. Da Batterien in der Regel für eine maximale Energiespeicherdauer von 4 Stunden ausgelegt sind, können sie die wenigen Ereignisse pro Jahr, die einen Tag oder länger dauern, nicht vollständig überbrücken. Hier kommt die Speicherung in Pumpspeicherkraftwerken ins Spiel, die über längere Zeiträume eine große Kapazität abdecken und Batterien ergänzen kann.
Lösungen für die Dunkelflaute #3: Thermische Energiespeicherung
In Zukunft wird der größte Teil der industriellen Energieversorgung durch elektrifizierte Prozesswärme gedeckt. Thermische Energiespeicher überbrücken große Zeiträume. Im Fall von Kraftblock lässt sich zusätzliche Kapazität sehr günstig zukaufen, die dann vor einer Dunkelflaute mit längeren Ladezeiten aufgeladen werden kann. Dies ermöglicht Kostensenkungen und den Transport großer Energiemengen nicht nur über Stunden, sondern auch über ein bis zwei Tage hinweg, sodass fast alle Dunkelflaute-Ereignisse abgedeckt werden können. Dies hilft sogar unmittelbar vor dem Ereignis.

Durch das Aufladen des Kraftblocks in den Nachtstunden werden die Spitzenpreise ab 6 Uhr morgens vermieden und nach 21 Uhr kann das System wieder aufgeladen werden. Dies spart großen Fabriken Tausende, wenn nicht sogar einige Hunderttausend Euro.
Lösungen für Dunkelflaute #4: Reservekraftwerke
Regionen, die nicht über den Vorteil großer Wasserkraftkapazitäten verfügen, benötigen eine Ersatzlösung. Wie diese Ersatzlösung aussehen soll, ist eine Frage, die einer eingehenden Debatte bedarf. Während es in Deutschland ein Gesetz gibt, das die Planung von Erdgaskraftwerken vorsieht, ist die Verwendung von Flüssigerdgas (LNG) laut der Cornell University möglicherweise keine sauberere Lösung als Kohle (siehe Howard, 2024).
Wasserstoff erscheint eine gute Lösung für Dunkelflauten, aber allein schon die Machbarkeit ist ein Problem, sodass diese Lösung derzeit unrealistisch ist. CCS muss sich ebenfalls erst noch bewähren. Diese Debatte ist nicht einfach. Spezifische Anlagen wie Wärmespeicher mit umgerüsteten thermischen Kraftwerken und Pumpspeicherkraftwerke sind die umweltfreundlichste Lösung in Zeiten der Dunkelflaute.
Lösungen für die Dunkelflaute #5: Netzausbau
Da das Wetter und damit auch die Dunkelflaute regional unterschiedlich sein können, sind auch die Netzverbindungen innerhalb eines Landes wichtig. Der energiereiche Norden Schwedens verfügt nicht über viele Verbindungen zum Süden, was dasselbe Problem darstellt wie in Nord- und Süddeutschland. Durch die Verbindung größerer Stromkapazitäten wird der regionale Wettereinfluss auf die Stromerzeugung gemildert.
Lösungen für die Dunkelflaute #6: Strommarktdesign
Die Gebotszonen der Länder sind wichtig für die Optimierung der Preise und des Marktes. Während kleine Länder wie Belgien mit einer einzigen Gebotszone auskommen, da sie keine großen regionalen Unterschiede oder langen Transportwege für Strom haben, gibt es in großen und langgestreckten Ländern wie Schweden oder Deutschland große Unterschiede. In Deutschland hat der Norden ein völlig anderes Profil als der Süden, vor allem aufgrund des Unterschieds zwischen Wind- und Solarenergie.
Generell wäre eine Aufteilung in mehrere Gebotszonen laut Energieexperten von Vorteil (vgl. cleanenergywire.com). Weitere Details dazu von Prof. Lion Hirth auf LinkedIn hier.
Quellen
br.de, 2024. Online: https://www.br.de/nachrichten/meldung/kartellamt-will-hohe-strompreise-bei-dunkelflaute-ueberpruefen%2C3006ee317
Kaspar, F., Borsche, M., Pfeifroth, U., Trentmann, J.,Drücke, J., and Becker, P.: A climatological assessment of balancing effects and shortfall risks of photovoltaics and wind energy in Germany and Europe, Adv. Sci. Res., 16, 119–128, https://doi.org/10.5194/asr-16-119-2019, 2019.
Li, Bowen & Basu, Sukanta & Watson, Simon & Russchenberg, Herman. (2021). A Brief Climatology of Dunkelflaute Events over and Surrounding the North and Baltic Sea Areas. Energies. 14. 6508. 10.3390/en14206508. Online: https://www.researchgate.net/publication/355173603_A_Brief_Climatology_of_Dunkelflaute_Events_over_and_Surrounding_the_North_and_Baltic_Sea_Areas